Kapitel 9: Tod im Restaurant
Die sieht aber nach Geld aus, dachte Nandre. Und leichte Beute scheint sie auch zu sein, sehr schlau sieht sie nämlich schließlich nicht aus. Er rauchte schnell eine hypnotische Zigarre und räusperte sich. "Hallo, ich heiße Nandre Schuhmacher und möchte mit ihnen spazieren gehen", sagte er. "Wir können zusammen ein wenig durch die Gegend laufen und anschließend in ein Restaurant gehen. Selbstverständlich bezahle ich, versteht sich von selbst. Aber zuerst möchte ich ihnen etwas vorführen." Während er in seiner Schlangenleder-Tasche kramte, stellte Louise Constanze Kaiser sich vor.
Nandre stieß erstmal ein paar hohe Töne aus, dann nahm er eine Schlange und eine Flöte aus seiner Tasche.
Louise Constanze Kaiser kreischte schrill auf. "Iiih, eine Schlange!"
Doch Nandre hatte schon angefangen, auf seiner Flöte die leise, unheimliche, gruselig hohe Musik zu spielen und hypnotisierte mit seinem von der hypnotischen Zigarre erlangten irren Blick abwechselnd Louise Constanze Kaiser und die Schlange. Die Schlange richtete sich auf und schlängelte umher, wie sie es auch in der Hypnose-Show mit Zarah gemacht hatte.
Stimmt, wir müssten mal wieder eine Hypnose-Show veranstalten, dachte Nandre. Dafür kriegen wir viel Geld, wir können unsere hypnotischen Kräfte testen und Tierquälerei mache ich auch gerne. Er fixierte Louise Constanze Kaiser so lange mit seinem hypnotischen Blick, bis sich seine Pupillen zu drehen und zu kringeln begannen.
Louise Constanze wurde vom Zusehen ein bisschen schwindelig. Ein wenig benommen stützte sie sich auf Nandres große Tasche und folgte seinem hypnotischen Blick. Inzwischen hatten die sich drehenden Kringel in Nandres Pupillen sogar unterschiedliche Farben angenommen und tanzten wirr umher.
Plötzlich hörte Nandre auf, die Flöte zu spielen und stopfte die hypnotisierte Schlange in seine Tasche. "Gehen wir los", sagte er und rauchte sicherheitshalber noch eine Zigarre, um seine hypnotischen Kräfte zu stärken.
Louise Constanze Kaiser, der Nandre die stützende Tasche weggenommen hatte, nickte benommen, taumelte kurz und suchte neuen Halt. Da sie keinen fand, hakte sie sich bei Nandre unter.
Nandres Pupillen drehten und kringelten sich immer weiter und wechselten weiter die ganze Zeit die Farbe.
Nandre und Louise Constanze Kaiser spazierten eine Weile weiter, dann gingen sie in einen Supermarkt, weil Nandre Kräuter für ein Elixier kaufen wollte, das er mit Zarah in einem großen Kessel brauen wollte. Diesen Plan verriet er Louise Constanze Kaiser natürlich nicht. Er kaufte die Kräuter, die er brauchte, rauchte schnell und unbemerkt eine Zigarre und sagte dann ganz plötzlich, dass er auf die Toilette musste.
Louise Constanze Kaiser war von seinem hypnotischen Blick noch immer so gefesselt, dass sie ihm sofort glaubte und auf ihn wartete.
Nandre ließ seine Tasche bei ihr (sie war sehr froh darüber, dass er sie ihr anvertraut hatte, da sie sich dann wieder auf sie stützen konnte) und ließ heimlich und unauffällig sein Portemonnaie in seinem Hemd verschwinden. Dann ging er in das Klo rein. Kurz darauf kam er gespielt panisch wieder heraus und fragte Louise Constanze immer noch stark mit den Augen hypnotisierend, ob sie sein Portemonnaie gesehen habe.
Sie durchsuchte darauf, von großer Panik ergriffen, ihre Handtasche und seine Tasche. Schließlich verneinte sie laut keuchend und bot an, die Polizei zu holen.
Nandre bestand darauf, im Supermarkt zu bleiben und auf ihre Handtasche aufzupassen. Kaum war sie losgeeilt, entwendete er trotz den Video-Kameras aus ihrer Handtasche ihr Portemonnaie. Als sie schwitzend wieder zurückkam und erkärte, sie habe kein einziges Polizeipräsidium gefunden, sagte er ihr, ihr Portemonnaie wäre auch gestohlen worden. Er rollte und kringelte so heftig mit den Pupillen, dass sie ihm seine Lüge sofort abnahm. Die beiden verließen bedrückt (Nandre tat natürlich nur so, als sei er bedrückt) den Supermarkt.
"Oh", bemerkte Nandre plötzlich und holte einen gefälschten, dafür aber extrem authentisch und realistisch wirkenden Fünfzig-Euro-Geldschein aus seiner Hosentasche. Dann sah er zu Louise Constanze Kaiser und blinzelte ihr zu. "Mein Notgroschen", flüsterte er.
Louise Constanze Kaiser ließ sich täuschen.
Schon bald kamen die beiden bei dem Restaurant an. Nandre entdeckte Klaus Fischer.
Plötzlich versperrte Zarah Nandre und Louise Constanze Kaiser den Weg. "Habt ihr mein Portemonnaie gesehen? Mein Portemonnaie ist weg! Jemand hat mein Portemonnaie gestohlen!", schrie sie. (Dabei steckte ihr Portemonnaie in ihrer Tasche aus Schlangenleder.) Sie trug den Rock aus toten Schlangen, Schlangenleder-High-Heels, eine Bluse aus dem Stoff, aus dem Nandre ein Hemd hatte und eine Kette aus Schlangenzungen. Außerdem hatte sie sich tote Babyschlangen in die Rastas geflochten.
"Oh, hallo Zarah! Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen!", sagte Nandre und tat überrascht. "So ein Zufall! Und, das spannende ist, unsere Portemonnaies wurden auch gestohlen! Zum Glück habe ich doch noch Geld mit. Komm, ich lade euch zwei ein."
Zarah, Nandre und Louise Constanze Kaiser setzten sich an einen Tisch.
Ein Kellner (dieser Kellner war übrigens nicht Klaus Fischer) kam an den Tisch, an dem die drei saßen und gab ihnen Speisekarten.
Sofort entschied Zarah: "Drei eisgekühlte Colas bitte!"
Der Kellner notierte die Bestellung und ging, von Zarahs vorlautem Verhalten geschockt, eilig zum Koch. Zarah aber hielt ihn zurück und lief mit ihm zur Küche. Er wollte gerade die Tür öffnen, da redete Zarah auf ihn ein: "Wenn der Koch ihnen die Colas gegeben hat, müssen sie in einen Becher dieses Gift-Pulver streuen. Dann müssen sie sich die vergiftete Cola merken und sie der Dame mit den braunen Haaren geben. Tun sie das nicht, töte ich sie!" Sie drückte dem Kellner das Gift-Pulver in die Hand und lief zurück. Sie rauchte schnell eine hypnotische Zigarre, stieß den hohen Ton aus und teilte Nandre so mit: Alles erledigt.
Nandre stieß auch den Ton aus und teilte Zarah mit: Ich hab Louise Kaiser so stark hypnotisiert, dass sie deine Abwesenheit nicht bemerkt hat.
Zarah nickte.
Bald darauf kam der Kellner wieder und stellte die drei Colas hin.
Nandre bedankte sich. Er stieß mit Zarah und Constanze Louise an und trank einen Schluck.
Louise Constanze tat es ihm nach. Sie hatte gerade ihren Mund von dem Becherrand gelöst, da fiel ihr das Glas aus der Hand und sie brach in sich zusammen. Ihr Stuhl kippte um und sie sank auf den Boden. Ihr Körper erschlaffte und blieb leblos liegen.
Zarah rannte in die Küche zu dem Kellner und zerrte ihn in die Toilette. "Die Cola war nicht vergiftet!", log sie ihn an und tat wütend. Der Kellner wollte protestieren, doch Zarah zückte ein Taschenmesser und schnitt ihm damit die Kehle durch. Der letzte Zeuge ist vernichtet, dachte sie sich und ging wieder zu Nandre. Der legte auf den Tisch den gefälschten Geldschein und einen Zettel:
Wir sind empört! Ein Getränk war vergiftet! Das lassen wir uns nicht bieten! Wir verlangen unverzüglich Schadenersatz und hinterlassen eine schlechte Bewertung von unter einem Stern!
Nandre & Zarah Schuhmacher
Die beiden verließen fluchtartig das Restaurant und machten sich auf den Weg zur Villa, die früher Louise Constanze Kaiser gehört hatte. Dort durchsuchten sie alles nach Geld und liefen von dort aus mit dem Geld zu ihrer eigenen Villa.
Inzwischen war es schon tiefe Nacht. Um sie herum war es stockfinster.
In den Bahamas war noch Nachmittag.
Christina Gonzalez und Greta Kowalski hatten gerade getestet, wie gut sie schon ohne Krücken laufen konnten. Und es war ein erfreuliches Ergebnis herausgekommen. Die beiden verkauften sofort ihre Krücken und machten zu Fuß eine Wanderung durch den in der Nähe liegenden Palmenwald. Jona war natürlich dabei.
Leider verpassten Greta, Christina und Jona so, dass Marlen und Tom den Hotelbewohnern gerade ihr frisch geborenes Baby zeigten.
Schließlich fragte Charlotte Marlen: "Wie heißt dein Baby denn?"
"Dina", sagte Marlen und schaute glücklich zu Tom.
"Und wie habt ihr das mit dem Nachnamen gemacht?", wollte Charlotte noch wissen.
"Sie heißt Dina Kowalski", sagte Tom. "Ne, Marlen?"
Marlen nickte. "Ja, das haben wir jetzt mal so beschlossen. Also... Ja. Wir wissen ja nicht so genau, wie man das eigentlich machen soll, weil wir nämlich noch nicht geheiratet haben, aber wir denken mal, dass es geht."
Plötzlich wollte Merle, dass Charlotte sie auf den Arm nahm und kreischte begeistert: "Dina! Dina! Dina!" Dann begrabschte sie Dina ausgiebig und die kleine Dina fing an zu weinen.
Vera konnte sich ein nett gemeintes "Jetzt hast du auch ein Baby zum Weinen gebracht, Charlotte" nicht verkneifen. Charlotte warf ihr einen bösen Blick zu, aber Vera lachte.
Marlen und Tom trösteten Dina schnell und liefen in ihr Hotelzimmer rein, um mit ihr zu spielen. Außerdem bereiteten sie das Abendessen vor. Ein paar Stunden darauf aß die Familie auch schon.
Saris Handy klingelte. Genauer gesagt, es zwitscherte, denn Sari hatte als Klingelton ein Vogelzwitschern ausgewählt. Sie ging ran und sagte dann zu Malu, Marie, Zoe und Franziska: "Leute, zwei Freunde von Malu und mir wollen mit uns Video-Chat machen."
"Können wir mitchatten?", fragte Zoe direkt.
"Ja, die sind nett", lachte Sari und sagte schnell in ihr Handy hinein: "Einen Moment, wir setzen uns kurz hin." Sie lief zum Strand, stellte dort acht Liegestühle auf und winkte die anderen dazu. "Hi, hier bin ich", sagte sie dannn zu den beiden, die mit ihr Video-Chat machten. Sie legte sich auf einen Liegestuhl und gab das Handy Malu, die sich gerade neben sie gelegt hatte. Malu winkte und sagte: "Hallo, wir sind gerade in den Bahamas!"
"Sehr cool hier übrigens", sagte Sari, machte das Peace-Zeichen und übernahm das Handy wieder. "Wir sind gerade am Strand auf Liegestühlen!"
"Hallo Leute", sagte die eine von den beiden Video-Chat-Freunden. Sie hatte eine dunkelbraune Haut, lange schwarze geglättete Haare und große goldene karoförmige Ohrringe. "Ihr habt es aber cool da auf den Bahamas. Wir sind immer noch in Deutschland und das Wetter ist nicht mal toll." Sie zog einen Schmollmund.
"Wir haben hier paar neue Freunde gefunden", sagte Sari. "Ich zeig die euch mal, Makayla. Also, das bin ich mit Malu, uns kennt ihr ja..."
Malu winkte und machte einen Kussmund.
"Das da sind Zoe, Marie und Franziska", fuhr Sari fort.
"Super", sagte Makayla, "sehen nett aus."
Sari sagte dann zu Zoe, Marie und Franziska: "Die beiden sind Makayla und Amethyst." Sie gab Malu wieder das Handy.
"Bei euch ist jetzt tiefe Nacht, ne?", fragte Malu.
Amethyst hatte lockige blonde halblange Haare und dunkelbraune Augenbrauen. "Ja, kurz nach Mitternacht. Am Tag hab ich geschlafen, wir wollten unbedingt mit euch chatten, wenn bei euch Nachmittag oder Abend ist", sagte sie.
Malu stand auf und zeigte ihnen ihr Hotel und den Strand. "Krass, ne?"
"OMG", sagte Amethyst.
"Ich bin voll neidisch", sagte Makayla.
Malu erzählte weiter: "Hier auf dem Meer hat Marie beim Sonnenuntergang beim Surfen einen Freund kennengelernt!" Sie kicherte und Makayla, Amethyst und Sari kicherten mit.
"Ich hol ihn mal und zeige ihn euch", sagte Marie. Und schon war sie losgelaufen. Schon bald kam sie mit Matej auch wieder zurück.
"Hello", sagte Matej und setzte sich auf einen Liegestuhl neben Marie.
"Er ist Matej Smith, Halb-Slowene-Halb-Australier", erklärte Marie fröhlich.
"Ähm, seid ihr jetzt eigentlich schon so richtig zusammen?", fragte Sari unter dem lauten Gekicher von Malu, Makayla und Amethyst.
"Ja, schon", sagte Marie.
"Okay", sagte Sari, deren Frage ja nun beantwortet war, schnell und setzte sich kichernd wieder auf ihren Liegestuhl.
Stella und Nek, die gerade zufällig vorbeispazierten, sahen Matej, Marie, Zoe, Franziska, Sari und Malu und setzten sich dazu. Jetzt waren alle acht Liegestühle besetzt.
Sari und Malu stellten die beiden Makayla und Amethyst vor. Dann holte Sari Gläser und eine Flasche Limo. Sie tranken genüsslich und beobachteten, wie die Sonne immer röter wurde und langsam unterging. Makayla und Amethyst konnten platzen vor Neid.
"Filmreif!", japste Amethyst.
"Warum habt ihr uns nicht mit in die Bahamas genommen?", rief Makayla. Und dann, halb ironisch: "Ihr seid so unfair!"
Die großen grünen Blätter der Palmen wiegten sich hin und her. Das Meer war spiegelglatt und auf seiner Oberfläche spiegelte sich der roten Umriss der Sonne wieder. Ein bunter Vogel zwitscherte und und Matej, Marie, Zoe, Franziska, Sari, Malu, Stella, Nek, Makayla und Amethyst verstummten.
Währenddessen kamen Greta, Christina und Jona wieder von ihrer Wanderung durch den Palmenwald zurück.
Greta hechelte schon und wollte nur noch zurück ins Hotelzimmer. Christina joggte neben ihr her und redete ihr gut zu, sie seien ganz bald zu Hause, als wäre Greta ein hilfsbedürftiges Kleinkind.
Jona trödelte ein bisschen. Die drei kamen übrigens am Strand vorbei. Greta und Christina nahmen den Sonnenuntergang und das schimmernde Meer nur halb oder sogar kaum wahr und hasteten einfach nach Luft ringend, pustend und japsend zum Hotel.
Jona folgte den beiden und ließ sich nichts entgehen.
Nek betrachtete sie von seinem Liegestuhl aus. Von der Körperfülle her war sie wie Judith, aber sie hatte ein anderes, gefärbteres Blond und nicht diese lächerliche türkise Strähne. Sie bewegte sich auch etwas anders und trug einen schönen blauen Hosenanzug.
Und dann wurde Nek klar: Das war die perfekte! Sie war perfekt.
Judith war mit Abdul zusammen, hatte einen anderen Stil, hatte eine störende türkise Strähne und das Blond ihrer Haare und das Blau ihrer Augen waren zu natürlich.
Stella war zu schlank und zu temperamentvoll und ihr Stil war auch nicht wirklich perfekt für Nek. Aber Jona, Jona war perfekt. Das Blond ihrer Haare war nicht echt und ihre Augen waren auch nicht wirklich blau. Das stellte für Nek aber keineswegs einen Makel dar, sondern perfektionierte Jona nur umso mehr.
Und dann schaute Jona zu Nek. Stella bemerkte nicht, wie zwischen den beiden eine stille Übereinkunft stattfand. In diesem einen kurzen Moment stoben zwischen Jona und Nek die ersten Funken auf, aber niemand bemerkte es außer den beiden selbst. Die anderen, die etwas sahen, sahen wenn überhaupt das Lächeln auf den roten Lippen von Jona und dem schmalen Mund von Nek. Aber selbst das sah niemand.
Jona ging weiter, damit Greta und Christina sich nicht wunderten.
Die Sonne versank entgültig im weiten Ozean.
Nek sah Jona noch nach. Dann hatte die Dunkelheit gesiegt und man konnte nichts mehr erkennen, außer vielleicht grobe Umrisse...
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