Kapitel 5: Hosenanzug-Spionin

Lukas machte sich auf den Weg. Unter dem Arm trug er ein Paket. Auf seiner Stirn prangten Schweißperlen. Mit großen Schritten lief er auf das Hotel zu. Er blieb vor der Tür stehen und zog an ihr. Sie ging nicht auf. Er drückte gegen sie. Sie ging auf. Lukas lief eine Treppe hoch und klopfte gegen die erste Tür, die er sah.
"Wer ist da?", fragte eine Stimme.
"Lukas", sagte Lukas.
"Was willst du?", fragte die Stimme misstrauisch.
"Ich teile die Post aus", behauptete Lukas.
Die Tür ging auf.
Lukas ging rein und entdeckte Zoe.
"Eigentlich brauchen wir keine Post", sagte sie grimmig.
"Mist!", schimpfte Lukas. "Das ist nicht das richtige Zimmer!"
"In welches willst du denn?", fragte Marie, die dazugekommen war.
"In das von Vera und Vanessa", antwortete Lukas.
Marie wies auf eine Tür gegenüer. "Da wohnen Vera, Vanessa und Lisa."
"Aha", sagte Lukas und ging auf die Tür zu.
Zoe schloss die Tür hinter ihm.
Lukas klopfte an Vera, Vanessa und Lisas Tür.
Sie wurde geöffnet.
Lukas erblickte Vanessa und zog sich schnell sein Käppi tiefer ins Gesicht. "Ich bin der Postbote und bringe die Post", sagte er mit verstellter Stimme.
Vanessa lachte. "Komm rein!"
Lukas ging ins Zimmer rein.
Auf dem Sofa saßen Vera und Lisa. Vera aß einen Pfirsich und Lisa scrollte auf ihrem Handy herum.
Vanessa kniete sich auf den Boden. "Was für ein Paket bringst du uns?", fragte sie.
"Keine Ahnung", sagte Lukas und zog sein Käppi aus. Es fiel auf den Boden. "Ich hab den Postboten gefragt, ob er ein Paket für euch hat, und er hat richtig viel rumgemeckert, bis er es mir endlich gegeben hat. Das war echt stressig, deswegen hatte ich keinen Bock, ihn zu fragen, was drin ist, aber er hätte das ja eh nicht gewusst."
Vera hob es auf. "Lukas, du wohnst bei uns nicht!", ärgerte sie sich.
Lukas zuckte die Schultern "Sorry, aber wo soll ich es sonst hintun?"
Vera seufzte. "Ist das dein Ernst? Behalte es einfach auf dem Kopf! Du willst hier doch nicht ewig bleiben!"
Vanessa machte das Paket auf. "Lisa, das ist deine Thermoskanne", sagte sie.
Lisa legte ihr Handy beiseite und stand auf. "Mein Thermosbecher! Eine Thermoskanne habe ich nicht bestellt!"
"Dann eben dein Thermosbecher", sagte Vanessa und reichte ihr den Thermosbecher.
"Thermosbecher?", fragte Lukas und erntete einen genervten Blick von Vera. "Wofür braucht sie einen Thermosbecher?"
"Für meinen Kaffee", erklärte Lisa und schaute ihn an, als wäre er ein Baby, dem man alles erklären musste. "Ich kann ihn mitnehmen, ohne dass er kalt wird."

"Fertig?", fragte Christina, die inzwischen mit Krücken gehen konnte.
"Ja, ja, gleich", sagte Greta (sie konnte ebenfalls mit Krücken gehen) und stopfte eine kleine Picknickdecke in ihren Rucksack. Dann hinkte sie zu Christina in die Lobby und von dort aus mit ihr zum Strand. Angekommen am Strand holte sie die Picknickdecke aus dem Rucksack und breitete sie aus.
"Was machen wir zuerst?", fragte Christina fröhlich.
"Fußballspielen", seufzte Greta. "Das schlimmste kommt zuerst."
Christina kramte einen alten Fußball aus ihrem Rucksack. "Wo sind die Tore?"
"Die beiden Palmen da", sagte Greta und wies auf zwei Palmen. "Das ist dann zwar ein sehr kleines Fußballfeld, aber egal."
"Gut", sagte Christina. "Du fängst an!" Sie reichte Greta den Ball.
"Wie lange spielen wir denn?", fragte Greta ein wenig skeptisch.
"In jeder Halbzeit fünfundvierzig Minuten, so ist es auch beim echten Fußball", sagte Christina.
"Nie!", entfuhr es Greta.
"Warum nicht?", fragte Christina, die wusste, dass nie auf polnisch nein bedeutete.
"Das ist zu lang. Fünfzehn Minuten", sagte Greta.
"Okay, fünfzehn Minuten", sagte Christina.
"Oh!", sagte Greta plötzlich. "Wir können gar nicht Fußball spielen!"
"Warum nicht?", fragte Christina.
"Weil wir ja Krücken zum Gehen brauchen, aber die Krücken für das Fußball spielen unpraktisch sind und uns behindern!", erklärte Greta.
"Spielen wir einfach ohne Krücken. Dann gewöhnen wir uns auch schneller wieder an das normale Gehen", sagte Christina.
"Gut", sagte Greta.
Hinter einer Palme, die neben Gretas Tor-Palme stand, raschelte es.
Greta ging nervös auf die Palme zu und entdeckte eine blonde Frau mit einem blauen Hosenanzug. "Hallo", sagte sie vorsichtig.
Die blonde Frau fuhr erschrocken herum, wurde kurz rot, starrte auf ihre Füße und sagte zögerlich: "Hallo."
Greta fand, sie benahm sich seltsam. Sie holte tief Luft, dann fragte sie: "Beobachten sie uns?"
"Äh...", stammelte die Frau, brach ihren Satz aber ab und rannte weg.
Greta zögerte nicht lange. Sie rannte ihr hinterher. Doch schon bald war die Frau aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Also schon, dachte Greta und ging langsam wieder zu Christina. Sie wollte ihr gerade von der merkwürdigen blonden Frau mit dem blauen Hosenanzug erzählen, da pfiff Christina in ihre Pfeife, die sie an einem Band um den Hals trug, und das Spiel begann.
Greta kickte den Ball ungeschickt zu Christina hinüber.
Christina kickte ihn mit voller Wucht in die Richting von Gretas Tor-Palme.
Greta wich instinktiv zur Seite und ließ dem Ball freie Bahn. Ohne durch etwas aufgehalten zu werden, prallte er mitten in die Tor-Palme. Sie schwankte leicht.
"Tooor!", jubelte Christina und sprang in die Luft.
"Schön", murmelte Greta abwesend und schoss den Ball in Christinas Richtung. Es wäre fast das eins zu eins gewesen, da stoppte Christina den Ball und schoss ihn energisch zu Greta.
Greta war mit den Gedanken noch bei der Frau mit dem Hosenanzug und achtete nicht darauf, wie Christinas zweites Tor fiel.
Christina ging zu ihr und klopfte ihr auf die Schulter. "Komm schon, Greta. Du musst dich aufpäppeln. Ich führe schon mit zwei zu null!"
Greta gab sich einen Ruck und schoss den Ball mit viel Kraft zu Christinas Tor-Palme.
Christina stoppte ihn in letzter Sekunde. "Weiter so, Greta!", sagte sie. "Du hättest das Tor erwischt!" Sie schoss den Ball zu Greta.
Greta stoppte ihn und schoss ihn direkt auf Christinas Tor-Palme zu, verfehlte sie aber um wenige Zentimeter.
Christina sah die wenigen Zentimeter nicht, ließ sich zu Boden fallen und berührte ihn, damit er in die andere Richtung rollte. Er rollte jedoch nur ein- bis zwei Zentimeter. Fast entstand ein Eigentor, doch der Ball war zu weit seitlich.
Greta sprang in die Höhe. "Eigento..." Sie sackte wieder auf den Boden. "Doch nicht."
"Pfosten!", rief Christina und wischte sich triumphierend den Schweiß von der Stirn.
"Pause!", ächzte Greta.
"Die erste Halbzeit ist aber noch längst nicht vorbei!", protestierte Christina. "Wir haben noch nicht mal fünf Minuten gespielt!"
"Trotzdem", sagte Greta. "Wir nehmen die Zeit doch nicht so genau."
Christina gab nach. "Gut, wir machen Pause. Wer ist Schiri?"
"Es gibt keinen", sagte Greta. "Wir haben gar keinen ausgewählt."
Christina zuckte mit den Schultern. "Dann geben wir uns halt gegenseitig Feedback." Sie gab Greta eine Wasserflasche.
Greta trank einen großen Schluck und sagte: "Ich weiß aber nicht, wie man so was macht!"
"Ich auch nicht", sagte Christina. "Wird im Fernsehen ja nie gezeigt. Mach einfach irgendwie."
Greta überlegte kurz, dann sagte sie langsam: "Äh... Du warst, äh, sehr sportlich... Vielleicht, äh, könntest du mir, äh, noch ein bisschen mehr Chancen geben... Sonst warst du, äh, super...Fußball macht dir sichtlich großen Spaß..."
Christina grinste. "Ich geb dir jetzt mal auf deine Weise Feedback." Sie räusperte sich umständlich und sagte: "Also... Du warst auch sehr sportlich, also jedenfalls nicht unfair... Du könntest den Ball vielleicht mit mehr Wucht schießen, damit ich ihn nicht aufhalten kann... Ich denke, Fußball könnte dir mehr Spaß machen..."
Greta seufzte und trank ihre Flasche aus. "Ja, stimmt schon", sagte sie. Plötzlich sah sie sehr traurig aus.
"Was ist?", fragte Christina und hockte sich auf den Boden.
"Müssen wir gleich eigentlich weiterspielen? Ich hab irgendwie keine Lust", sagte Greta.
Christina hatte ein schlechtes Gewissen. Sie war viel zu siegreich gewesen und hatte Greta gar keine Chance gegeben. Greta konnte Fußball gar nicht so gut und es machte ihr keinen Spaß, einen Ball mit voller Wucht in ein Tor zu schießen. "Nö, eigentlich nicht", sagte Christina deshalb.
Greta kniete sich zu ihr. "Ich kann mich gerade zurzeit nicht so auf Fußball konzentrieren, weil..." Sie wollte ihr von der Frau mit dem blauen Hosenanzug erzählen, doch Christina unterbrach sie. "Da sind die anderen! Mal sehen, was sie machen!"
Greta wollte sie zurückhalten, doch Christina hatte sich schon ihre Krücken genommen und war losgeflitzt. "Da!", rief sie. "Sie kaufen Lose!"
Greta seufzte und folgte ihr langsam. "Ah ja, tatsächlich", sagte sie, als sie sah, wie ihre Hotelmitbewohner von einem Loseverkäufer Lose kauften.
"Und? Wer hat etwas gewonnen?", fragte Christina die Hotelbewohner.
"Wir haben die Lose noch gar nicht aufgerubbelt!", sagte Charlotte.
"Ach so", sagte Christina.
Plötzlich stieß Zoe einen lauten Schrei aus. "Ha! Ich habe den Hauptpreis gewonnen!" Sie wedelte mit einem aufgerubbelten Los hin und her.
Franziska betrachtete sie neidisch. "Du Glücksi. Ich hab 'ne Niete."
"Mach dir nichts draus", sagte Marie. "Ich auch."
Stella und Nek gingen traurig auf die beiden zu.
"Wir haben auch Nieten", erklärte Stella.
Nek hielt ihnen ein jämmerliches aufgerubbeltes Los vor die Nase. "Seht ihr?"
Zoe strahlte die beiden glücklich an. "Ich hab den Hauptpreis gewonnen! Ich hab eine Segelbootfahrt nach Florida und zurück gewonnen! Und ich darf fünf Personen mitnehmen!"
Franziska meinte, in ihrer Stimme einen angeberischen, fast sogar schadenfrohen Unterton zu hören, und seufzte: "Cool. Ich würde echt gern eine von diesen fünf Personen sein. Bin ich aber sicher nicht, weil ich ja so ein Pechsi bin."
Zoe stopfte das Los in die Hosentasche ihrer schwarzen Jeans. "Mal sehen", sagte sie geheimnissvoll.
"Zoe-Zombie! Ich hasse Geheimnisse!", sagte Franziska verärgert.
Zoe schloss die Augen und machte sie wieder auf. "Ich aber nicht!", sagte sie schließlich.
Christina klatschte begeistert in die Hände. "Ich müsste mir mal ein Beispiel an deinen krassen Sprüchen nehmen!", sagte sie.
"Na ja", sagte Zoe verlegen.
"Ich finde nicht", grummelte Franziska.
Christina legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Nimm's doch nicht so tragisch. Mach auch so was."
Franziska schüttelte ihre Hand ab. "Nö."
Plötzlich hörten sie ein leises Trippeln.
Greta drehte sich automatisch um und entdeckte die blonde Frau mit dem blauen Hosenanzug. "Sie schon wieder?!", rief sie.
Die Frau erschrak.
"Wer?", fragte Christina und drehte sich zu Greta um.
Die Frau duckte sich blitzschnell.
"Die da", sagte Greta, die das nicht bemerkt hatte, doch Christina konnte die Frau nicht mehr sehen. "Wie sah sie aus?", fragte sie.
"Etwas rundlich, klein, blond..."
Greta wurde von Runa unterbrochen, die eine große Packung Eis in die Höhe hielt. "Schaut mal! Lia hat als Trostpreis eine Packung Kaktuseis bekommen!" Auf das Nicken von Lia nahm sie sich eins und begann zu schlecken.
"Ja", sagte Lia. "Will noch wer?"
"Ich", riefen fast alle.
Zoe drängelte sich unsanft an Franziska vorbei nach vorne. "Zuerst ich!", schrie sie.
Runa stellte sich schützend vor Lia, bevor Zoe nach einem sehr großen Kaktuseis grabschen konnte. "Du nicht!", schrie sie. "Das Eis ist ein Trostpreis! Du hast schon den Hauptpreis!"
"Menno", maulte Zoe unzufrieden und verschwand in der Menge.
"Einer nach dem anderen!", rief Runa ihr hinterher und grinste.
"Franziska!", rief Lia.
Franziska ging mit großen Schritten auf sie zu und holte ihr Eis ab.
"Greta!", rief Lia, die nicht wusste, dass Greta gar kein Los gekauft hatte.
Greta lief zu ihr, bedankte sich und lief wieder zurück.
Lia stupste Runa an. "Ich zwei, du zwei", wisperte sie ihr zu.
"Christina!", rief Runa.
Christina rannte zu ihr, stürzte sich übermütig auf das Eis und schleckte es ausgiebig ab.
Runa sah ihr belustigt zu, dann rief sie: "Marie!"
Marie ging zügig zu ihr, nahm sich ihr Eis und gesellte sich zu Franziska.
"Du bist wieder dran", sagte Runa zu Lia, die gerade gedankenverloren zum Himmel emporschaute. Als diese nicht reagierte, stupste Runa Lia mit dem Ellbogen an.
"Oh... Ach so", sagte Lia und holte ein Eis aus der Box. "Eva!"
Eva kicherte. "Sorry, Lia, aber ich hab schon einen Trostpreis. Ich wollte keins. Ist mir voll peinlich. Trotzdem danke." Sie hielt einen großen Teddybären in die Höhe.
"Tut mir leid", sagte Lia, "ich habe nicht gesehen, dass du schon einen Preis hast. Willst du trotzdem ein Eis?"
Eva kicherte erneut und wurde rot. "Ja, gerne", sagte sie und lief zu Lia, die ihr ein Eis gab.
Zoe, die bis zu diesem Moment still zugehört hatte, hielt es nicht mehr aus und schrie: "Unfair! Das ist total unfair!"
"Nein, es ist fair!", zischte Runa. "Eine Segelbootfahrt nach Florida und zurück ist viel mehr wert als ein völlig normaler Teddy!"
Zoe grummelte etwas unverständliches und machte sich aus dem Staub.
"Was hat sie gesagt?", flüsterte Franziska Marie zu.
"Irgendwas mit 'super unfair' und 'ich Pechsi'", sagte Marie.
Franziska verschränkte die Arme vor der Brust. "Pah!", sagte sie und schnaubte. "Sie hat mich nachgemacht! Sie hat auch Pechsi gesagt! Und dabei steht es nur mir zu, Pechsi zu sagen!"

Maria saß auf dem Gefängnisboden und betrachtete Paulas Brief.
Hi Maria,
Eva ist bei mir im Hotel angekommen.
Paula

stand dort. Maria seufzte. Es war schon sehr lange her, dass sie Paula und Eva das letzte Mal gesehen hatte. Würde Eva ihr vergeben? Sie hoffte es. Maria legte den Brief beiseite und legte sich auf den Boden. Zu gerne würde sie noch eine Botschaft von Paula und Eva erhalten. Doch bisher war der kurze Brief von Paula die einzige Informationsquelle, die sie auf dem laufenden hielt.

Ein paar Tage später standen Zoe, Marie, Franziska, Stella, Nek und eine unbekannte Frau auf einem Segelboot und lehten sich gegen die Reling.
"Das ist Shayna", stellte Zoe die Frau vor.
"Freut mich", sagte Marie.
Shayna trug ein weites T-Shirt mit pinken und grauen Streifen und einen Jeansrock. Sie hatte kakaobraune Haut und schwarze Rastas.
Zoe zeigte auf Marie, Franziska, Stella und Nek. "Das sind Marie, Franziska, Stella und Nek."
"Hallo", sagte Shayna.
Franziska packte Marie am Arm und entfernte sich mit ihr ein wenig von den anderen.
"Was ist denn?", fragte Marie.
Franziska zog sie noch ein Stückchen näher zu sich, dann raunte sie ihr zu: "Sicher wollte Zoe mich eigentlich gar nicht mitnehmen und hat das nur gemacht, um sich bei mir einzuschleimen."
Marie lehnte sich gegen die Reling und blickte aufs Meer. "Das wäre aber sehr gemein", sagte sie eine Spur zu laut, denn Zoe hörte sie und ging auf die beiden zu. "Was wäre gemein?", fragte sie.

Greta und Christina machten sich auf den Weg.
"Wie viele Kilometer laufen wir?", fragte Greta.
Christina warf einen Blick auf ihr Handy. "Ungefähr fünfzehn."
Greta nickte. "Gut."
Die beiden hinkten eine Straße entlang zu einem Palmenwald. Dort gingen sie einen Weg entlang. Als sie eine Weile gegangen waren, hörte Greta ein merkwürdiges Geräusch. Es war ein Knacken und Rascheln. Greta konnte sich schon denken, was das war, und drehte sich um. Tatsächlich, hinter einer Palme versteckte sich die blonde Frau mit dem blauen Hosenanzug. Sie bemerkte nicht, dass Greta sie beobachtete, und lief geduckt weiter.
"Was machen sie hier?", rief Greta.
Die Frau zuckte erschrocken zusammen und stieß einen kurzen, leisen Schrei aus.
"Warum beobachten sie uns?", fragte Greta eindringlich.
Die Frau schwieg.
"Ich sage jetzt Christina bescheid", sagte Greta. Sie lief mit großen Schritten weg.
"Nein!", rief die Frau mit dem Hosenanzug entsetzt.
Doch Greta ließ sich nicht beirren. Sie lief weiter und entdeckte Christina. Sie hatte Schuhe und Socken ausgezogen und stand vor einem kleinen Bach.
Greta wollte gerade den Mund öffnen, um von der Frau mit dem Hosenanzug zu erzählen, da sagte Christina so laut, dass Greta einen Schritt zurückwich: "Greta! Hier ist ein Bach. Zieh deine Schuhe und Socken aus und nimm sie in die Hand. So, und jetzt geh durch den Bach. Ich mach's auch."
Greta zögerte. "Wie warm ist das Wasser?"
Christina stellte ihre schwarzen Wanderschuhe ab und zuckte mit den Schultern. "Weiß nicht. Aber es wird schon nicht kochen."
"Und noch eins", sagte Greta. Sie holte tief Luft und wollte zum Sprechen ansetzen, als Christina sie fragte: "Warum hast du eigentlich so lange gebraucht?"
"Das wollte ich dir ja gerade sagen", sagte Greta und sah misstrauisch nach hinten. Die Frau mit dem Hosenanzug war nicht mehr zu sehen. Während sie sich umsah, sah Christina auf die Uhr. "Oh!", sagte sie. "Wir gehen jetzt besser weiter. Wir haben Zeit verloren."
Greta nickte. "Ich will nicht noch die ganze Nacht hier bleiben."
Die beiden wateten durch den Bach und liefen auf der anderen Seite zügig weiter.

"Und?", fragte Lisa. "Kommst du jetzt mit oder nicht?"
"Nee, ich bleibe hier", sagte Vanessa.
Lisa zuckte mit den Schultern. "Okay, dann bleibst du eben hier. Tschüss, ich gehe mit Vera zum Strand." Sie schloss die Tür.
Vanessa setzte sich auf das Sofa und kramte ihr Handy hervor. Bald darauf hatte sie Whatsapp geöffnet und tippte eine Nachricht an Lukas:
Hi Lukas, Vera und Lisa sind am Strand. Hast du gerade Zeit? Will chatten. Schreib mir, ob es dir gerade passt.
Bald darauf erschien Lukas' Nachricht:
Hi Vanessa. Ich hab gerade Zeit. Mir ist langweilig. Ich sitze gerade auf dem Sofa.
Vanessa tippte schnell die Nachricht:
Cool! Ich auch.
Lukas schrieb:
Erzähl mir einen Witz.
Vanessa schrieb:
Okay. Fritzchen geht bei rot über die Straße. Fragt ein Mann: "Hast du noch alle Tassen im Schrank?" Fritzchen sagt: "Nein. Ich gehe jetzt welche kaufen." 😀
Lukas schrieb:
Der Witz ist der Hammer.🤭
Vanessa schrieb:
Ja, finde ich auch.🥲 Kennst du noch einen?
Lukas schrieb:
Ja, den mit der Oma und dem "Nicht aufheben".
Vanessa schrieb:
Ich kenne noch den: Fritzchen geht um die Ecke. Was fehlt?

Lukas schrieb:
Der Witz. Vanessa, du bist echt krass! 😀

Vanessa schrieb:
Du auch 😊

Lukas schrieb:
Lass auf Video-Chat umschalten
Vanessa schrieb:
OK
Sie schaltete auf Video-Chat um. "So, hab umgeschaltet", sagte sie.
Lukas erschien auf dem Bildschirm.
"Ah, da bist du", sagte Vanessa.
"Das Netz ist bei mir gerade nicht so gut", sagte Lukas, "deswegen kann es sein, dass du mich manchmal nur schlecht hörst oder nur verpixelt sehen kannst."
"Danke für die Info", sagte Vanessa. "Ich sage dir dann bescheid."
"Okay."
"Was machen Abdul und Karsten und so?"
"Abdul ist mit Judith Eisessen und Karsten muss irgendwas mit Runa und Lia besprechen. Timon ist in seinem Zimmer."
Vanessa sah, wie Lukas aufstand und auf die Tür zu Timons Zimmer zeigte. "Und was macht er da?", fragte sie.
"Keine Ahnung. Ich frag ihn m..."
Plötzlich hörte Vanessa nur noch ein Rauschen und Knirschen und sah Lukas verschwommen und verpixelt. "Lukas!", sagte sie. "Ich höre dich nicht und du bist verpixelt geworden!"
Es knirschte und rauschte.
"Ich höre dich immer noch nicht!", sagte Vanessa.
Es knackte einmal, dann rauschte und raschelte es. Dann hörte Vanessa eine Stimme: "Kannst du mich jetzt hören?"
"Ja", sagte Vanessa, "du bist aber immer noch verpixelt."
"Immer noch?", fragte Lukas und erschien wieder normal auf dem Bildschirm.

"Nein, jetzt nicht mehr", sagte Vanessa.
"Gut", sagte Lukas. "Als du mich nicht hören konntest, hab ich Timon gefragt, was er macht."
"Und?", fragte Vanessa.
"Er schaut auf dem Internet nach T-Shirts", sagte Lukas.
"Ah. Sehr interessant!", sagte Vanessa ironisch.
"Ich find’s auch mega spannend", ironierte Lukas und setzte sich auf das Sofa. "Fühl mich einsam. Komm her", sagte er dann.
Vanessa stand auf. "In Ordnung. Ich nehme die Schokolade mit, die Lisa gekauft hat."
"Darfst du das?", fragte Lukas.
"Sicher", sagte Vanessa. "Bis gleich."

Lisa beugte sich gespannt über Veras Handy. "Und? Hast du es geschafft, dich da reinzuhecken?"
"Ja, gleich, ich muss nur noch dieses eine Passwort von Vanessa eingeben. Und das kenne ich", sagte Vera.
"Wie lautet es?"
"'V.weißdassi.wasvonL.will'!"
Lisa lachte laut. "V. bist du, i. ist sie und L. ist Lukas."
Vera gab das Passwort ein. "Genau."
Bald darauf konnten die beiden Vanessas Chat mit Lukas sehen.
"Aha!", sagte Lisa interessiert.
"Die beiden haben also geturtelt!", sagte Vera grinsend. "Und wenn ich sie frage, streiten sie alles ab. Warum können sie nicht einfach mal zugeben, dass sie turteln? Das weiß doch eh schon jeder." Sie schüttelte den Kopf.
Lisa nahm ihr das Handy aus der Hand. "Vera, die beiden haben Video-Chat gemacht!", sagte sie.
"Jetzt machen sie aber keins mehr", bemerkte Vera.
"Stimmt", sagte Lisa und gab ihr das Handy zurück. "Gehen wir nach Hause? Dann können wir Vanessa ganz beiläufig fragen, ob sie vielleicht zufällig mit Lukas geturtelt hat."
Vera nickte begeistert. "Ja! Das machen wir!"
Die beiden liefen zum Hotel. Sie machten die Tür auf, liefen am cremefarbenen Ledersofa vorbei durch die Lobby, stapften eine Treppe hinauf und kamen bei ihrem Zimmer an.
"Oh!", sagte Lisa. "Vanessa ist gar nicht hier auf dem Sofa!"
"Und deine Schokolade ist auch weg", stellte Vera fest.
Plötzlich kam Lisa ein Verdacht. "Vera!", rief sie. "Vielleicht ist Vanessa zu Lukas gegangen und hat die Schokolade mitgenommen!"
Vera sprang auf. "Das kann gut sein!"
"Auf zu Vanessa und Lukas!", sagte Lisa entschlossen. Sie ging mit großen Schritten aus dem Zimmer und verließ dicht gefolgt von Vera das Hotel.
Gemeinsam liefen die beiden zum Hotel, wo Lukas lebte. Sie klingelten.
Bald darauf ging die Tür auf. Timon stand vor ihnen.
"Wir wollen zu Vanessa und Lukas", sagte Lisa eifrig.
Timon wies auf die Tür zu Lukas' Zimmer. Die Tür war einen Spalt breit geöffnet. Aus dem Zimmer drangen lachende Stimmen.
"Lukas, mach auf", rief Timon.
"Die Tür ist nicht auf", sagte Lukas. "Kannst reinkommen."
"Ich will nicht rein", sagte Timon. "Irgendwelche anderen wollen rein."
"Dann können eben 'irgendwelche anderen' rein", sagte Lukas.
Vera und Lisa betraten das Zimmer.
Lukas und Vanessa kuschelten sich auf dem Sofa aneinander und bewarfen sich gegenseitig mit Chips, Popcorn und Schokolade. Vor ihnen stand ein riesiger Fernseher, auf dem ein spannender Gangsterfilm lief.
Eine kleine Lampe mit orangenem Lampenschirm tauchte den Raum in warmes Licht.
Lisa warf Vera einen Blick zu.
"Verstehe", sagte Vera zu Vanessa und Lukas. "Ihr turtelt also."
"Und ihr esst meine Schokolade", fügte Lisa hinzu.
Vanessa versteckte die Verpackung von der Schkolade hinter ihrem Rücken. "Gar nicht! Das ist eine andere Schokolade!", behauptete sie.
"Ja, genau", sagte Lukas. "Außerdem turteln wir nicht!"
"Ich verstehe. Ihr kuschelt und macht euch Komplimente, aber ihr turtelt nicht. So ist das also", sagte Vera.
Lukas stand auf. "Vera, ich versteh das nicht. Im Ernst, wir machen uns keine Komplimente!"
"Doch, ihr macht euch Komplimente", beharrte Vera."Ich kann es sogar bezeugen", sagte Lisa stolz. Sie grinste Vanessa und Lukas schadenfroh an.
Vanessa verschüttete fast ihre Chips. "Habt ihr euch etwa in unseren Chat geheckt?"
Während Lisa herumdruckste und versuchte, Ausflüchte zu finden, verschwand Vera unauffällig durch die Tür.
"Hey, Vera, bleib hier!", schrie Lukas, der ihr Verschwinden bemerkt hatte, aufgebracht. "Und erklär uns das!"
Aber Vera war schon weg...

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kapitel 10: Ausgesetzt und aufgenommen

Kapitel 9: Tod im Restaurant