Kapitel 4: Schwer krank
Paula sah aus dem Fenster. In wenigen Minuten würde Eva ankommen! Paula freute sich schon riesig darauf, endlich nicht mehr allein in ihrem Hotelzimmer zu hocken. Sie hatte schon Orangen geschnitten, Staub gewischt, die Fenster geputzt und die Topfpflanze gegossen, damit sie Eva bei ihrer Ankunft richtig willkommen heißen konnte.
Da! Unten auf der Straße humpelte Eva mit ihren krücken entlang.
Paula riss das Fenster auf. "Eva!", schrie sie. "Hallo Eva!" Sie winkte Eva zu.
Eva hob den Kopf und bemerkte sie. "Hi Paula", rief sie und versuchte, mit ihrer Krücke zu winken. Als sie es nicht schaffte, rief sie Paula zu: "Tut mir leid. Ich kann wegen diesen doofen Krücken nicht winken. Das ist mir richtig peinlich, glaub mir."
"Macht nichts", rief Paula. "Ich komme zu dir runter." Sie rannte nach unten in die Lobby und von dort aus nach draußen.
Eva ließ ihren Koffer stehen und hinkte das kleine Stück zu ihr. "Boah", sagte sie, "ich kann es kaum fassen, dich wieder hautnah vor mir zu haben!"
Paula ging zum Koffer. "Komm, ich helfe dir", sagte sie und trug ihn in die Lobby.
"Danke", sagte Eva.
Paula winkte ab. "Bist du müde?"
Eva nickte. "Ja, ich hab total Jetlag."
Paula wies auf die cremefarbene Ledercouch. "Setz dich!"
Eva setzte sich. "Echt gemütlich hier", stellte sie fest.
Paula setzte sich zu ihr. "Und, wie war der Flug?", fragte sie.
"Na ja, ganz okay", sagte Eva. "Ich hab einen Film geguckt, aber dann ist mir übel geworden und ich hab ihn abgebrochen. Später ging's dann wieder und ich hab noch einen Film geguckt."
Paula stand auf. "Ich bringe deinen Koffer nach oben. Du kannst noch hier bleiben und dich ein bisschen ausruhen", sagte sie und trug den Koffer nach oben.
Eva griff nach ihren Krücken und erhob sich. "Nee, ich komme lieber mit. Ich hab keinen Bock, hier alleine rumzusitzen." Sie folgte Paula nach oben.
Im Hotelzimmer stellte Paula den Koffer ab und setzte sich an den Tisch.
Eva setzte sich zu ihr und sah sich um.
Das Zimmer war sehr stylisch eingerichtet.
Die Wände waren weiß gestrichen.
Eine große grüne Topfpflanze stand neben dem Tisch.
Eine kleine Lampe mit einem coolen Lampenschirm tauchte das Zimmer in weißes, beinahe grelles Licht.
Auf einer weißen Fensterbank stand ein kleiner Kaktus. Sein Topf war weiß und aus Keramik.
An einer Wand hingen Bilder vom Strand und von Palmen. An einer anderen Wand hingen abstrakte Bilder, offenbar moderne Kunst.
Ein gemütliches Sofa verlieh dem Hotelzimmer etwas heimeliges.
"Gefällt es dir hier?", fragte Paula.
Eva nickte und ihr Blick fiel auf einen kleinen Teller mit Orangenscheiben, den Paula auf den Tisch gestellt hatte. "Kann ich eine essen?", fragte sie.
"Klar", sagte Paula.
Eva griff nach einer Orangenscheibe und steckte sie sich in den Mund.
"Ich schreibe Maria mal einen Brief, dass du angekommen bist", sagte Paula.
Eva nickte. "Kannst du machen."
Paula schrieb etwas auf ein Blatt Papier und steckte es in einen Umschlag. "Hoffentlich wird sie ihn kriegen", sagte sie.
Eva zog ihre Schuhe aus. "Wahrscheinlich schon. Steht ja nichts verdächtiges drin."
Absolut ahnungslos betrat Zoe den Supermarkt. Dort wurde sie Zeugin eines spannenden Streits. Das erste, was sie sah, waren keine Regale mit Lebensmitteln, sondern Vera und Charlotte. Die beiden prügelten sich und schrien aus Leibeskräften. Allerdings war Zoe nicht die einzige Zeugin, denn Lukas, Vanessa, Carla, Anne, Merle und viele normale Einkäufer beobachteten das Geschehen ebenfalls.
"Du willst doch bloß immer die Superheldin spielen!", schrie Charlotte und trat Vera in den Bauch.
Vera wehrte sich, indem sie ihr auf das Knie schlug. "Das stimmt wirklich nicht!", rief sie. In ihren Augen glitzerten Tränen.
"Doch! Es stimmt!", schrie Charlotte. "Du bist immer noch die selbe Zicke wie vor einem Jahr! Du hast dich kein bisschen verändert!" Sie boxte Vera mit voller Kraft zu Boden.
Vera ließ das tatenlos über sich ergehen. Sie wusste, dass es nichts brachte, sich immer weiter in den Streit reinzusteigern.
Plötzlich drängelte sich eine junge Frau mit einem extrem großen, braunen Hut, unter dem sie ihre Haare verbarg, und einer Brille mit dicken, verschmierten Gläsern, an der Menge, die sich inzwischen um Vera und Charlotte versammelt hatte und interessiert zuschaute, vorbei. Die hohen Absätze ihrer Stöckelschuhe klapperten laut, als sie mit großen Schritten direkt auf Vera zuging. "Haha", rief sie mit hörbar verstellter Stimme und zeigte mit ihrem Zeigefinger, dessen Nagel blutrot lackiert und sehr lang und spitz war, auf Vera, "die kann sich gar nicht wehren!" Sie starrte Vera durch ihre Brille mit einem abschätzig-verächtlichen und zugleich hasserfüllten Blick an.
Obwohl die Brillengläser sehr verschmiert waren, erkannte Vera die Frau sofort. Sie rappelte sich auf, riss ihr die Brille vom gesicht und blickte direkt in zwei braune, bedrohlich blitzende Augen. "Tanja!", rief sie. "Du bist aus dem Gefängnis ausgebrochen!"
Ehe sie Tanja den Hut vom Kopf nehmen konnte, kam Aloscha angerannt und schlug sie nieder.
Vera ließ sich nicht beirren. Sie rappelte sich auf und ohrfeigte ihn. Dabei fiel ihm die Zigarette aus dem Mund. "Hey!", brüllte er und erwiderte die Ohrfeige.
Da kam Lukas ins Spiel. Er schubste Aloscha um, sodass dieser zu Boden fiel. "Fass Vera nicht nochmal an, sonst war das das letzte Mal."
Aloscha fuchtelte wütend mit Armen und Beinen, konnte sich aber nicht wieder aufrichten. Er fluchte etwas auf russisch.
Vera wollte ihm aufhelfen, doch Lukas stellte ihr ein Bein. "Vera! Was machst du da? Das ist doch komplett verrückt! Einem Feind sollte man niemals helfen! Du begibst dich in Liebes... äh, Lebensgefahr!", rief er panisch.
Vera knallte auf den harten Betonboden und schrie laut auf. "Lukas, dieser Mensch kann nicht wieder aufstehen! Er braucht Hilfe!", rief sie und zeigte auf Aloscha, der noch immer auf dem Boden lag und wie wild mit Armen und Beinen strampelte.
"Aber so ein böser Verbrecher doch nicht! Er wollte dir was tun!", schrie Lukas.
Vera wollte sich aufrappeln, doch dazu war sie plötzlich viel zu schlapp. Sie blieb auf dem Boden liegen und brach in Tränen aus. So ließ sie ihre Wut, ihre Erschöpfung und ihre Traurigkeit raus. Ihr Gehirn musste das, was sie an diesem Tag alles erlebt hatte, erst mal verarbeiten.
"Was ist?", fragte Vanessa, die sich neben Lukas gestellt hatte.
Vera antwortete nicht. Sie blieb auf dem Boden und weinte weiter. Vanessa vermutete, dass sie sich in einer Art Halb-Ohnmachts-Zustand befand.
Charlotte hielt sich die Hände vor die Augen. "Aufhören! Ich kann das gar nicht angucken! Das ist total kindisch!"
Vera rührte sich nicht. Sie weinte einfach weiter.
Charlotte tickte sie an. "Sag doch mal was! Ich bin total irritiert!"
Vera hob langsam den Kopf. Dabei wurde eine große, blutende Wunde an ihrem Kinn sichtbar.
Lukas wurde panisch. "Äh... Das hab ich nicht extra gemacht!", stotterte er.
Judith schulterte ihren Rucksack. "Ich freu mich schon voll! Der Sonnenuntergang sieht bestimmt total cool aus", sagte sie.
"Ja, die Sonne verschwindet dann immer im Wasser", sagte Abdul.
"Hast du das schon mal gesehen? Etwa mit einer Ex oder so was?"
"Nein, nein. Gestern Abend. Eingentlich wollte ich nur handygucken, aber dann hab ich bemerkt, dass die Sonne sich bewegt hat und hab das Handy weggelegt."
Judith setzte ihre Sonnenbrille auf und machte die Tür auf.
Abdul steckte sein Handy in die Hosentasche.
Dann gingen sie los. Sie marschierten zum Strand; dort setzten sie sich hin.
Judith stellte ihren Rucksack ab und holte zwei Flaschen mit Rhabarberlimo heraus. Aus der einen trank sie einen Schluck, die andere hielt sie Abdul hin.
Abdul nahm sie und trank auch einen Schluck. "Echt lecker", sagte er und wischte sich mit der Hand den Mund ab. "Woher hast du die? Ich will die Limo auch mal kaufen."
Judith zeigte in die Richtung des Supermarkts. "Vom Supermarkt da."
Abdul nickte. "Aha."
Eine Weile schwiegen die beiden.
Judith blickte zum Himmel. Die Sonne war rot und stand noch über ihnen, doch bald würde sie im Meer versinken.
Abdul drückte ihre Hand. "Na?"
Judith schob ihre Sonnenbrille ins Haar. "Die Sonne sieht schön aus", sagte sie.
Abdul folgte ihrem Blick und sah ebenfalls zur Sonne. "Ja, das stimmt."
Der Himmel verfärbte sich dunkelrot und die Sonne rutschte ein wenig nach unten.
Judiths Herz machte einen kleinen Hüpfer. So was konnte man nicht immer sehen!
Abdul hatte den Hüpfer offenbar bemerkt und machte es ihr nach.
Die Sonne rutschte noch ein bisschen, dann war sie schon zur Hälfte im Wasser verschwunden.
Glückliches Schweigen erfüllte die Luft. Ein paar Stunden vergingen, dann wurde es Nacht.
Meti rekelte sich in ihrem Bett. Sie konnte nicht einschlafen.
Plötzlich blinkte ihr Handy. Meti setzte sich auf und las die Nachricht:
Meti! Du musst sofort nach Indonesien! Wir sind schwer krank und du musst unseren Kiosk übernehmen. Er ist unsere einzige Einkommensquelle. Komm so schnell du kannst!
Papa und Mama
Meti rannte aus dem Bett und weckte Evita.
Evita rieb sich schlaftrunken die Augen. "Ja, was ist?"
"Ich muss so schnell wie möglich wieder nach Indonesien! Meine Eltern brauchen mich. Leider muss ich dich dann verlassen", sagte Meti.
Evita war sofort hellwach. "Was? Warum tust du mir das an? Dann bin ich Judith und Abdul schutzlos ausgeliefert!", rief sie.
Meti seufzte. "Es muss sein. Aber ich werde so schnell wie möglich wiederkommen." Sie nahm eine von Evitas langen Rastas in die Hand und streichelte sie.
Evita schüttelte sich. Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen, ein paar Tage ohne Meti zu verbringen. "Meti!", rief sie, als ob das verhindern könnte, dass sie abreiste. "Bleib hier!"
Meti blickte sie traurig an. Die Rastalocke ließ sie nicht los. "Evita, ich werde zurückkommen. Ich werde zurückkommen. Ich werde zurückkommen."
Evita schnappte ihr die Rastalocke aus der Hand. "Versprochen?"
"Versprochen", sagte Meti. Sie ging langsam wieder zu ihrem Bett.
Die Nacht war lang und Evita konnte kaum schlafen. Beim Gedanken, Judith und Abdul alleine gegenüberstehen zu müssen, musste sie immer wieder zu Metis Bett schauen und einen Blick auf die Person mit den lila Haaren werfen, die sie bald verlassen würde. Am Morgen wollte sie das Frühstück nicht essen und die Zähne nicht putzen.
Meti hingegen löffelte hastig ihr Müsli, da sie wusste, dass ihr ein harter Tag bevorstand und sie (so dachte sie es) womöglich verhungern würde, wenn sie mit leerem Magen zum Flughafen aufbräche.
Judith streckte sich. "Ja, ich komme", rief sie, als Abdul ein wenig ungeduldig mit einem Messer gegen einen Teller klopfte. Sie zog sich schnell an und rannte in die Küche.
Auf dem Tisch standen zwei Teller mit Fruchteis. Judith hatte eine extragroße Kugel Meloneneis und Abdul eine etwas kleinere Kugel Mangoeis. Wenn man genau hinsah, war der Größenunterschied der Kugeln jedoch wesentlich geringer, als er auf den ersten Blick erschien.
"Danke, Abdul", sagte Judith, die das nicht bemerkt hatte und ihre Kugel für viel größer hielt.
"Das Eis hab ich extra bei einer speziellen Eismanufaktur gekauft!", sagte Abdul stolz grinsend.
Judith steckte sich einen Löffel Meloneneis in den Mund. "Das war richtig toll, bei dir zu übernachten", sagte sie.
"Ja, ich hab noch schnell eine Ersatzmatratze aus dem Keller geholt, auf der du dann schlafen konntest", sagte Abdul.
Die Tür zu Lukas' Zimmer ging auf und Lukas kam zu ihnen. "Besuch?", fragte er überrascht.
Abdul nickte froh. "Ja! Besuch! Guter Besuch!"
Judith grinste. "Abdul hat extra für den Besucher Eis gekauft", erzählte sie.
"Kann ich mitessen?", fragte Lukas. "Ich hab Mordshunger, weil ich in der Nacht gar nicht geschlafen hab."
Abdul sah Judith an. "Wir haben noch eine Kugel Schokoeis", sagte er.
"Okay", sagte Judith. "Ist ja eh nicht so privat."
Lukas sprang in die Luft. "Super! Jaaa! Lecker!", freute er sich.
Abdul stellte ihm den Teller mit dem Schokoeis hin. "Weißt du, wo Karsten ist?", fragte er.
"Nö, leider nicht", sagte Lukas. "Ich hab die ganze Nacht mit Vanessa gechattet und deshalb nichts mitgekriegt, was um mich herum passiert. Aber ich vermute, dass Karsten zu Jenny gegangen ist."
Lukas hatte recht, Karsten war tatsächlich zu Jenny gegangen. Er warf seine Jacke auf den boden und ging auf Jenny zu.
"Hi Karstie!", rief sie. "Heute sind auch Runa und Lana-Viktoria dabei."
Runa und Lia betraten den Raum.
Jenny deutete zu Runa. "Das ist Runa Groß."
Karsten musterte Runa gründlich. Sie hatte ein schwarzes T-Shirt, eine graue Jeans und schwarze Füßlinge an. "Karsten Wessel", stellte er sich vor, als er seinen Blick endlich wieder Jenny zuwandte.
Jenny zeigte auf Lia. "Und das ist Lana-Viktoria Kiowski."
Karsten musterte Lia auf die Art und Weise, mit der er auch Runa gemustert hat, nur etwas freundlicher. Ihm fielen ihr blaues Kleid und ihre gelben Socken auf. "Ist das die, die Lia heißt?", fragte er schließlich.
"Nein", sagte Jenny. "Lana-Viktoria hieß nie Lia. Nie. Aber sie dachte das."
"Und sie will so genannt werden", ergänzte Runa.
Lia senkte den Blick. "Mein Vater hat mich immer Lia genannt. Das 'L' war von Lana und das 'ia' von Viktoria. Meine Mutter nennt mich Lana-Viktoria."
"Kannst du uns da später erzählen? Karsten ist nicht da, um sich deine Trauermärchen anzuhören!", meckerte Jenny.
Lia verschwand in der Küche. Bald tauchte sie mit zwei großen Tellern mit Obst wieder auf. Sie stellte die Teller auf einen kleinen Tisch und wartete auf eine Anweisung von Jenny.
Jenny machte eine genervte Handbewegung und Lia machte sich aus dem Staub. Im Schlafzimmer holte sie ein Blatt Papier aus einer Schublade vom Nachtschrank und setzte sich an einen kleinen Schreibtisch neben ihrem Bett.
Runa kam zu ihr rein. "Boah, dieser Karsten sieht so arrogant aus! Wie kannst du das nur aushalten?", rief sie und knallte die Tür zu.
Lia seufzte. "Aber er ist Jennys Typ", sagte sie. "Und Jenny hat sich verändert. Sie ist jetzt total arrogant. Sie hat mir das Bein gebrochen, bloß weil sie wütend war. Sie hat mich aus dem Raum gescheucht, weil sie mich gerade nicht braucht. Sie hat mich die ganze Zeit Lana-Viktoria genannt, obwohl 'Lia' eine Erinnerung an meinen toten Vater ist. Sie hat wahre Sachen Trauermärchen genannt. Sie begreift nicht, was es bedeutet, keinen Vater mehr zu haben." Sie begann, etwas zu zeichnen. Zuerst waren nur grobe Umrisse zu erkennen, dann wurde immer eindeutiger, was auf dem Bild zu sehen war. Es war in vier Kästchen geteilt.
Im ersten Kästchen sah man ukrainische und russische Soldaten, die erbittert gegeneinander kämpften.
Im zweiten Kästchen sah man Jenny und Karsten, die sich umarmten.
Im dritten Kästchen sah man Lia, die weinend an einem Grab kniete.
Im vierten Kästchen sah man Tanja, die Lias Edelstein in der Hand hielt.
"Was soll das darstellen?", fragte Runa.
"Ungerechtigkeit", sagte Lia. "Es ist ungerecht, dass die Ukraine angegriffen wurde, obwohl sie nichts gemacht hat. Es ist ungerecht, dass Jenny uns ausschließt. Es ist ungerecht, dass mein Vater im Krieg erschossen wurde. Es ist ungerecht, dass Tanja den Krieg gut findet und mich deshalb beraubt. Das ist alles total ungerecht!"
Runa hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie war von der Zeichnung so fasziniert, dss sie hätte auf der Stelle umkippen können.
Es klopfte an der Tür.
Jenny und Karsten, die gerade dabei waren, einander zu umarmen, machten gestresst auf.
Lina und Julia standen in der Tür.
"Wir fliegen jetzt zurück nach Deutschland und wollen uns von euch verabschieden", sagte Julia.
Lina tippte auf ihrem Handy herum und bekam nur halb mit, wie Julia schon langsam in die Lobby zu den anderen ging. Mit kleinen Schritten folgte sie ihr.
Jenny zog eilig ihre Stöckelschuhe an und strich eine Falte von ihrem Kleid glatt, Karsten band sich seine Jacke um und schlüpfte in seine weißen Sneaker.
Runa zog sich Sportschuhe an, Lia Sandalen. Hastig folgten die vier Julia und Lina in die Lobby.
Als alle Hotelbewohner bei ihnen waren, sagte Julia: "Wir gehen jetzt zum Flughafen und fliegen nach Hause. Ihr könnt uns jederzeit schreiben, wenn wir doch nochmal zurück müssen."
Lina tippte schnell auf ihrem Handy herum, dann schrie sie: "Selfie!"
Schon hatten sich alle um sie versammelt und grinsten in die Kamera.
Als das Foto fertig war, winkten Julia und Lina den Hotelbewohnern und machten sich auf den Weg zum Flughafen Nassau. Ihre Rollkoffer zogen sie hinter sich her.
Jenny und Karsten gingen so schnell wie möglich wieder in ihr Zimmer.
"Dass die uns herholen müssen, bloß um uns Bescheid zu sagen, dass sie abreisen", schimpfte Karsten, während er sich die Schuhe auszog.
"Und um ein dummes Selfie zu machen!", sagte Jenny. "Ist ja ganz nett, ein Abschiedsfoto zu machen, aber uns dafür bei unsere Umarmung zu stören, muss wirklich nicht sein!" Sie schüttelte den Kopf.
Karsten seufzte und ging zu dem kleinen Tisch, auf den Lia zwei Teller mit Obst gestellt hatte. "Ich hab Durst. Hat die denn nirgendwo einen Becher oder eine Flasche hingestellt?"
"Anscheinend nicht, Karstie", sagte Jenny bedauernd. "Das war echt sehr mies von Lana-Viktoria, denn ich hab auch Durst."
"Dann gießen wir uns halt selber was ein", grummelte Karsten.
Jenny schlurfte in die Küche und holte zwei Becher und eine Flasche Limo.
Karsten goss sich Limo ein und trank einen Schluck.
Eine Viertelstunde später kamen Runa und Lia rein.
runa grinste, doch als sie Karsten sah, bewegten sich ihre Mundwinkel automatisch nach unten. "Der sieht einfach so unausstehlich aus!", flüsterte sie Lia ins Ohr.
"Wo wart ihr so lange?", wolltete Jenny wissen.
"Wir haben uns total gewundert!", behauptete Karsten.
"Nächstes Mal müsst ihr uns Bescheid sagen!", sagte Jenny.
Karsten streifte Runa und Lia mit einem vorwurfsvollen Blick.
"Ich dachte, ihr wollt uns gar nicht mehr so richtig!", sagte Runa.
Lia drehte sich nach hinten. "Ihr könnt kommen", rief sie so laut, dass man es durch die ganze Lobby bis nach draußen hören konnte.
Jenny trat ein wenig näher an Karsten heran.
Karsten knetete die Hände.
Runa grinste die beiden schadenfroh an.
Lia drehte sich wieder zu ihnen. Sie holte tief Luft, dann sagte sie ernst: "Kommt mit. Jenny, die Polizisten warten auf dich."
Jenny zog nervös ihre Schuhe an und ging langsam nach draußen.
Karsten folgte ihr mit finsterer Miene.
Lia wies auf ein Polizeiauto, das vor dem Hotel geparkt hatte.
Drei Polizisten stiegen aus.
Runa zeigte anklagend auf Jenny. "Du hast Körperverletzung begangen!", rief sie.
Jenny hob demonstrativ die Hände. "Aber das war doch im letzten Jahr! Warum sprecht ihr das jetzt plötzlich wieder an?", schrie sie.
Lia senkte verlegen den Kopf. "Weil wir es vergessen haben."
Ein Polizist legte der empörten Jenny Handschellen an. "You are Jennifer Mboumba, right?", fragte er und schubste Jenny ins Polizeiauto.
"Yes", schrie Jenny, "aber ich will nicht ins Gefängnis!"
"Shut your mouth!", brüllte der Polizist.
Ein anderer Polizist startete den Motor.
Karsten funkelte Runa und Lia böse an. "Das ware eine List!", zischte er.
Runa ballte die Fäuste. "Gar nicht!", rief sie.
Karsten drehte sich beleidigt weg. "He, chill mal!"
"Selber!", rief Runa aufgebracht.
Karsten schwieg und nestelte an seinem schwarzen T-Shirt herum.
Runa warf ihm einen wütenden Blick zu und verschwand im Hotelzimmer.
Lia sagte etwas zu Karsten, beobachtete, wie er sich entfernte, und schloss die Tür.
Runa raste plötzlich in das Schlafzimmer und sprang dort mit hochrotem Kopf herum.
Lia folgte ihr. In dem Moment, wo sie glaubte, Runa würde explodieren, schrie diese: "Dieser Karsten ist so zickig! Ich halte das nicht mehr aus!" Sie sprang noch einmal in die Luft, dann ließ sie sich auf den Boden fallen.
"Jetzt hast du dich so richtig ausgepowert, oder?", fragte Lia.
Runa nickte. "Ja, außen. Innen geht der Kampf gegen Karsten noch weiter." ...
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