Kapitel 3: Turteltäubchen

Er sah Abdul auf sich zukommen. "Äh... Hi Abdul", sagte er.
"Ich hab dich schon überall gesucht!", sagte Abdul.
Judith stellte sich neben ihn. "Ich auch!", sagte sie.
"Und warum? Wolltet ihr etwas mit mir machen?", fragte Lukas. Man sah ihm sofort an, dass er schlecht drauf war.
"Nö. Aber wir wollten wissen, wo du bist und was du machst. Karsten hat gesagt, er geht zu Jenny, und Timon geht zum Strand, das hat er mir geschrieben", sagte Abdul.
"Und du hast ihm nichts gesagt oder geschrieben!", ergänzte Judith.
Lukas zuckte die Schultern. "Ist halt so. Na und?"
"Du spannst mich aber echt auf die Folter! Wo warst du?", rief Abdul.
Lukas stöhnte. Gerade gab es für ihn nichts schlimmeres, als die ganze Geschichte noch mal zu erzählen. "Kann ich euch das später sagen?", fragte er.
Abdul sah Judith an.
Judith zuckte die Schultern.
"Nein", entschied Abdul.
Lukas fiel wie tot um. "Doch."
"Steh auf!", befahl Abdul.
"Abdul hat so laut wie ein Muezzin geschrien - du kamst nicht. Und jetzt verheimlichst du uns die ganze Geschichte?", sagte Judith enttäuscht.
"Aber echt!", sagte Vera, die plötzlich hinter Lukas stand.
Lukas rappelte sich panisch auf und rannte weg. "Die Geschichte ist ultra lang!", rief er Abdul und Judith zu.
Abdul rannte ihm nach. "Warum flüchtest du plötzlich? Erzähl uns sofort, was passiert ist!", schrie er.
"Ich bin aber viel zu platt, um das zu erzählen!", protestierte Lukas.
"Trotzdem! Erzähl es uns! Einem Freund darf man nichts
verheimlichen!", rief Abdul.
"Genau!", rief Judith, die die Verfolgung ebenfalls aufgenommen hatte.
"Judith und Abdul haben Recht!", schrie Vera. Auch sie war losgeflitzt.
Lukas blieb abrupt stehen. Wenn Vera ihn verfolgte, half kein Sprint. "Vera, warum... ich... du... warum... Ich bin unschuldig, wie oft soll ich dir das noch sagen? Warum glaubst du mir das denn nicht?", rief er.
Vera stöhnte. "Jetzt fang nicht schon wieder damit an! Mir reicht's!", sagte sie.
"Du bist halt so ein gefährlicher Mensch. Ich muss mich die ganze Zeit vor dir schützen und dir versichern, dass ich unschuldig bin. Ich kann kein Vertrauen mehr zu dir haben, obwohl du meine Schwester bist. Immer wenn du in der Nähe bist und einen bedrohlichen Gesichtsausdruck hast, packt mich die nackte Panik", sagte Lukas.
"Stopp, Lukas. Du übertreibst. Setz dich hin und erzähl Abdul und Judith, was passiert ist", sagte Vera.
Lukas setzte sich hin. "Na gut", grummelte er, "aber danach lässt du mich in Ruhe."
"Lukas, du verhältst dich wie ein Kind! Dabei bist du schon zweiundzwanzig Jahre alt!", schimpfte Vera.
Lukas verdrehte die Augen. "Und du bist ein Jahr jünger als ich und verhältst dich natürlich viel erwachsener. Toll."
"Jetzt erzähl doch einfach!", sagte Abdul ungeduldig.
Lukas erzählte und erzählte. Als er fertig war, war es Nacht.

Vor Vera stand ein riesiges Ungeheuer. Es hatte schwarzes, zottiges Fell, war schweißgebadet und kreischte die ganze Zeit: "Ich bin unschuldig!"
"Lukas-Monster, geh weg von mir! Ich habe Angst vor dir!", rief Vera ängstlich.
Das böse Lukas-Monster näherte sich ihr mit rasender Geschwindigkeit.
"Lass mich in Ruhe!", winselte Vera.
Das Monster spuckte Spielzeug-Lamborginis und Spielzeug-Ferraris aus und begann, folgendes zu schreien: "Los, Lambo, töte Vera und Judibdul! Ich bin unschuldig!"
Währenddessen stahl Tanja Lia einen Edelstein und reichte ihn an Charlotte und Lina weiter. Diese reichten ihn an die Spielzeug-Ferraris weiter und schrien: "Mobbt Vera, mobbt Vera, mobbt Vera so viel ihr könnt!"
Am anderen Ende der Welt, dort wo die Vera-Hasser lauerten...
PENG! Vera schrickte aus dem Schlaf. Während Lukas erzählte, war sie eingeschlafen und hatte einen Albtraum geträumt.
"Haha, du bist auf mich hereingefallen!", rief Tanja. "Ich habe deinen Edelstein gestohlen, Lana-Viktoria! Und jetzt erschieße ich dich! Hahaha! Mir darfst du nicht trauen!"
Lia lief vor ihr weg und weinte. "Hilfe! Runa!", jammerte sie.
Vera rappelte sich auf und sprang Tanja an. "Lügnerin!", schrie sie.
"Vera! Lass mich los!", kreischte Tanja. Mit einiger Mühe schaffte sie es, ihr Taschenmesser hervorzukramen. Doch als sie es nach Vera schwang, versetzte diese ihr einen Tritt mit dem Fuß.
Tanja fiel zu Boden.
Vera schnappte sich das Taschenmesser.
"Zu Hilfe! Ich werde angegriffen!", kreischte Tanja.
Vera hörte, wie jemand eine Treppe hinuntergelaufen kam. Dann erschien eine Gestalt.
"Hilfe! Aaah! Vera will mir etwas antun!", schrie Tanja.
"Hör nicht auf sie! Sie ist eine Diebin! Hilf mir, sie zur Polizei zu bringen!", rief Vera.
"Ich bin keine Diebin! Aaah! Sie wird mich umbringen! Aaah! Hilfe!", kreischte Tanja und tat so, als würde sie fast in Ohnmacht fallen.
Die Gestalt packte Tanja am Arm. "Du bist eine Diebin!", sagte sie.
Im fahlen Schein des Mondes konnte Vera das Gesicht der Gestalt erkennen. Es war Lukas. "Äh... Also... Du... Ich... Es...", stammelte sie.
"...tut dir leid, dass du mich verdächtigt hast, oder?", fragte Lukas.
Vera nickte.
Plötzlich fasste sie jemand an der Schulter.
"Isabella? Was machst du denn hier?", fragte Vera.
Isabella wollte etwas sagen, doch Lukas war schneller. "Dich können wir hier gerade echt gar nicht brauchen! Du willst Tanja doch bestimmt nur verteidigen! Aber sie ist eine gemeine Diebin!", sagte er.
"Das glaube ich dir nicht, du komischer Mann!", sagte Isabella. "Lass Tanja los!"
"Isabella! Geh weg", rief Vera.
Isabella verschwand in der Dunkelheit. "Schon gut!"
"Angsthase! Bleib hier!", schrie Tanja.
Doch Isabella war schon weg.
"Mist! Ich stecke in der Patsche!", schimpfte Tanja.
"Genau!", sagte Vera grinsend.
"Grins nicht so!", schrie Tanja.
Vera hörte nicht auf sie. Sie grinste weiter.
"Du... Dir werde ich Manieren beibringen! Ich werde dir die Ohren langziehen und dir Ohrfeigen verpassen!", rief Tanja.
"Und wann?", fragte Vera.
"Jetzt!", schrie Tanja.
"Nö. Nicht jetzt", sagte Lukas. Er hielt ihr die Hände so aneinander, dass sie nichts mit ihnen machen konnte. Sie war sozusagen gefesselt.
"Lass mich los! Ich will Vera eine Lektion erteilen!", schrie Tanja.
"Ja, willst du, kannst du aber nicht", sagte Lukas. Er ließ ihre Hände nicht los.

Am nächsten Morgen saß Lisa auf einem Stuhl und schälte Mandarinen.
Vera schlief auf dem Sessel und... Vanessa war wieder da! "Hi Lisa", sagte sie.
Lisa drehte sich ruckartig um. "Wie kommst du denn plötzlich wieder aus dem Gefängnis raus? Fast niemand weiß, dass du unschuldig bist!", rief sie überrascht.
"Vera hat herausgefunden, dass Tanja schuldig ist. Dann hat sie mich freigelassen und Tanja wurde festgenommen", erklärte Vanessa.
Lisa schaute zu Vera hinüber. "Hat sie das in der Nacht gemacht?", fragte sie.
Vanessa nickte. "Danach war sie so müde, dass sie schnurstracks auf den ersten weichen Gegenstand hier im Zimmer zugelaufen ist: den Sessel. Auf dem ist sie dann sofort eingeschlafen."
Lisa legte die Mandarinen auf einen Teller. "Bedien dich", sagte sie.
Vera öffnete die Augen. "Hmm? Ah, lecker Mandarinen", murmelte sie und  setzte sich an den Tisch, auf dem der Teller mit den Mandarinen stand.
"Ja, Vanessa hat mir gerade erzählt, dass du sie befreien lassen hast", sagte Lisa und spuckte einen Kern aus. "Das hast du echt gut gemacht! Und ganz alleine! Also wirklich! Ich hätte das nicht allein geschafft." Sie klopfte Vera stolz auf die Schulter.
Vera schüttelte den Kopf. "Ich hab das nicht alleine gemacht!", sagte sie.
"Ach, echt nicht?", fragte Lisa.
"Lukas war dabei", sagte Vera.
"Ja, genau, da war noch so ein Mann, der total aussieht wie Vera", sagte Vanessa.
Lisa warf ihr einen bösen Blick zu. "Du hast mich angelogen! Du hast gesagt, dass Vera das ganz allein gemacht hat!", rief sie.
"Ich habe dich nicht angelogen! Ich habe nicht gesagt, dass sie das allein gemacht hat. Ich habe nur vielleicht nicht gesagt, dass jemand dabei war", verteidigte sich Vanessa.
"Warum denn nicht?", fragte Lisa irritiert.
"Ich hab's vergessen!", sagte Vanessa und wich Lisas Blick aus, indem sie sich umdrehte und vor den Fernseher setzte.
"Vanessa!", sagte Lisa immer noch fassungslos.
"Ja, warum macht ihr denn so ein riesiges Mysterium daraus, dass ich vergessen hab, einen Satz zu sagen?", rief Vanessa.
Vera legte ihre Hände auf Vanessas Kopf und schloss die Augen. "Chill...", sagte sie.
"Okay, lass mal", sagte Vanessa. Sie klang schon deutlich chilliger.
Vera nahm ihre Hände von Vanessas Kopf. "In Ordnung. Ich nehme meine Hände weg."
Lisa setzte sich neben Vanessa.
"Vertra..." Vanessa machte einen fragenden Gesichtsausdruck.
"...gen!", beendete Lisa den Satz.
Vanessa nickte. Sie reichte Lisa feierlich die Hand.
Lisa kicherte und schlug ein.
Vera sah den beiden zufrieden zu.

Mark erschien auf dem Bildschirm von Julias Handy. "Hi Julia."
"Hallo Mark."
"Wie geht's dir so?"
"Super. Na ja, so super jetzt auch nicht. Du bist ja nicht da."
"Ja, ich vermisse dich auch."
"Was machst du gerade?"
"Ich sitze auf dem Sofa."
"Aha."
"Wie geht's Lina?"
Julia schaute zu Lina, die neben ihr im Sand saß und auf ihrem Handy herumtippte. "Och, ganz gut."
"Und wann kommt ihr wieder zurück nach Deutschland?"
"Na ja, eigentlich wollten wir ein ganzes Jahr hier in den Bahamas bleiben, aber so lange werde ich es ohne dich bestimmt nicht aushalten."
"Könnt ihr dann vielleicht morgen kommen?"
Julia schaute zu Lina.
Lina zuckte die Schultern. "Hmm... Ja? Mir ist es egal."
Julia schaute wieder auf ihr Handy. "Ja, gerne."
"Gut." Mark war sichtlich froh.
"Dann packen wir mal die Koffer. Tschau!"
"Tschüss."
Julia legte auf. "Okay, Lina. Wir packen jetzt die Koffer", sagte sie und stand auf.
"Wofür denn?", fragte Lina, steckte ihr Handy in die Hosentasche und erhob sich ebenfalls.
"Hast du mich eigentlich verstanden, als ich mit dir geredet hab?", fragte Julia.
"Äh... Nee, nicht richtig", gab Lina zu.
"Also: Morgen fliegen wir wieder zurück nach Deutschland und heute packen wir für den Flug die Koffer", erklärte Julia.
"Wäre es nicht zeitlich entspannter, wenn wir erst übermorgen losfliegen und heute und morgen die Koffer packen?", fragte Lina.
"Öh. Ja, stimmt. Du hast Recht. Na gut, dann rufe ich Mark eben nochmal an und sage ihm das", seufzte Julia. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und rief Mark an.
Mark ging sofort ran.
"Hallo Mark, ich bin's wieder, Julia", sagte Julia. "Ich muss dir leider sagen, dass wir doch erst übermorgen losfliegen können. Ist zeitlich entspannter, hat Lina gesagt."
"Alles klar. Tschüss", sagte Mark und legte auf.
Julia legte auch auf und steckte ihr Handy ein.
"Na, findet Mark das okay?", wollte Lina wissen.
"Ja." Julia nickte.
"Gut. Ich würde sagen, wir gehen jetzt erst mal zu den anderen und sagen ihnen, dass wir übermorgen losfliegen", schlug Lina vor.
"Auf jeden Fall!", rief Julia. "Die würden sich echt wundern, wenn wir plötzlich nicht mehr da sind."
Die beiden gingen los. Nach ein paar Minuten wussten alle bescheid.
Julia und Lina begannen, die Koffer zu packen.

Die Uhr schlug acht.
Tanja klopfte Aloscha auf die Schulter. "Du hast dich als blinder Passagier ins Flugzeug geschmuggelt, oder?", fragte sie ihn.
"Ja, klar! So ein Ticket bezahle ich doch nicht, nur um dich aus dem Knast zu befreien!", sagte er und warf seine Zigarette auf den Boden.
"Sollen die Polizisten mich doch suchen! Sie werden mich nicht finden", kicherte Tanja.
Aloscha steckte sich eine neue Zigarette in den Mund. "Wir werden über ihnen sitzen und ihnen..."
"...keine Kokosnüsse auf den Kopf werfen! Nicht alle Palmen sind Kokospalmen!", schrie Tanja.
"Ja, aber diese vielleicht", sagte Aloscha.
"Nein! Diese nicht! In diesem Viertel gibt es keine Kokospalmen!", rief Tanja.
"Ja, ja, hab ich schon gemerkt!", sagte Aloscha und lachte.
Tanja lachte auch. "Du bist ein echt lustiger Kerl!", sagte sie.
"Ja, bin ich!", rief Aloscha. Immer noch lachend schnipste er die Kippe weg.
Plötzlich verstummte Tanja und nestelte an ihrer dunkelroten Krawatte herum. "Hör mal auf zu lachen!", zischte sie. "Ich hör Schritte! Wenn das mal nicht die Polizisten sind!"
Aloscha hörte so plötzlich auf zu lachen, dass er fast seine Zigarette verschluckte.
Zwei Polizisten marschierten an ihnen vorbei.
"Keine Spur von Frau Zibirskaja", sagte der eine auf englisch.
"Dann müssen wir jetzt in den WGs rumfragen. Vor allem bei Frau Zharkylsynsyn. Die kennt Frau Zibirskaja richtig gut und es würde mich nicht wundern, wenn sie sie jetzt beherbergt", sagte der andere ebenfalls auf englisch.
Die beiden klingelten bei Isabella.
Isabella machte auf.
"Isabella wird denen nicht helfen können", kicherte Tanja. "Sie weiß gar nicht wo ich bin und was ich mache. Sie wird ganz verdutzt hindreinschauen und die Hände heben."
"Die ist aber auch echt so ein Dämel!", sagte Aloscha. "Sie lässt sich einfach von dir zu deiner Komplizin machen! Irgendwann wird sie gar nichts mehr von selbst machen, sondern nur das, was du ihr sagst! Sie wird wie deine Marionette sein!" Er warf seine Zigarette weg und zündete sich eine neue an.
"Oh!", sagte Tanja plötzlich.
"Was?", fragte Aloscha.
"Wo werden wir schlafen?", rief Tanja. "Es dämmert! Die Sonne geht unter!"
"Hä? Schlafen?", fragte Aloscha. Dann begann er zu lachen. Er lachte so laut und böse, dass die Palme, auf der er mit Tanja saß, wackelte. "Ha! Du denkst ans schlafen! Wir schlafen gar nicht! Wir bleiben hier oben und rauchen Zigaretten, bis die Palme umstürzt!", rief er.
Tanja verschränkte die Arme. "Aloscha, ich heiße Tatiana Zibirskaja. Und Tatiana Zibirskaja raucht nicht", sagte sie streng.
"Mag sein. Aber ich rauche", sagte Aloscha.

Die Nacht brach an.
Der Wind wehte.
Eine große Welle spülte eine Flasche an Land.
Am nächsten Morgen gingen Vanessa und Lisa am Strand spazieren.
Vanessa entdeckte die Flasche. "Guck mal, Lisa, eine schöne Flasche", sagte sie. "Da ist sogar was drin!" Sie hob die Flasche auf.
"Pfui bah!", sagte Lisa. "So verschmutzt sind die Weltmeere! Ich gehe sofort zum Hotel und schaue mir eine Doku an, die zeigt, wie der Ozean vermüllt wird!"
Vanessa seufzte. "Tu das. Ich zeige Lukas und Vera die Flasche."
"Ist das nicht eine Flaschenpost?", fragte Lisa.
"Ja, stimmt. Ich gehe zu Lukas und zeige ihm die Flaschenpost", sagte Vanessa.
"Vera etwa nicht?", fragte Lisa.
"Äääh, doch", sagte Vanessa und wurde rot.
Lisa schüttelte den Kopf. "In letzter Zeit bist du wirklich ziemlich verwirrt, Vanessa."
Vanessa wuschelte sich durchs Haar. "Wolltest du nicht nach Hause gehen?", fragte sie.
"Ja, schon", murmelte Lisa und bewegte sich in Richtung Hotel.
Vanessa seufzte erleichtert auf. Gut, dass Lisa jetzt weg ist, dachte sie. Ich finde das langsam richtig lästig, dass sie mein Verhalten so komisch findet. Sie steuerte auf eine umgestürzte Palme zu, auf der Vera und Lukas saßen.
"Weißt du, Lukas, ich hab geträumt, dass du ein böses Monster bist", kicherte Vera.
Lukas starrte sie gespielt entsetzt an. "Ich? Ein Monster?"
Vera lachte laut. "Ja. Ein böses Lukas-Ungeheuer mit schwarzem Fell und scharfen Zähnen, das Spielzeugautos ausspuckt."
Lukas drehte den Kopf weg. "Weißt du, was ich geträumt hab? Ich hab geträumt, dass du, Abdul und Judith mich in eine Höhle gebracht und mit Gewehren auf mich geschossen habt!", sagte er.
Vera prustete los. "Lukas, du bist echt komisch."
"Ist er nicht. Er ist normal", sagte eine Stimme. Vanessa.
"Vanessa, so langsam hab ich echt das Gefühl, dass du was von Lukas willst!", sagte Vera.
"Glaub ich nicht. Wer will denn was von einem doofen Menschen wie mir? Also echt", sagte Lukas sofort.
"Du bist gar nicht doof!", sagte Vanessa ernst. "Du bist ein richtig guter, lustiger Mensch."
"Vanessa... Du willst etwas von Lukas", sagte Vera.
"Nein! Gar nicht!", behauptete Vanessa. "Ich finde diesen Typen richtig... äh... also... na ja... hehe..."
Vera grinste. "Jetzt hast du dich verraten!"
Vanessa wurde rot. "Aber eigentlich bin ich ja nicht gekommen, um das zu machen, sondern um euch diese Flaschenpost zu zeigen", sagte sie schnell.
"Cool, du hast eine Flaschenpost gefunden!", rief Lukas. "Respekt!"
"Die lag mitten im Weg. Warum sollte ich sie also nicht finden?", sagte Vanessa.
Lukas nickte. "Du hast Recht. Ich hätte sie an deiner Stelle auch aufgehoben."
Vera gähnte. "Und? Was steht drin?"
"Das finde ich gleich heraus! Ich schraube den Deckel ab", erklärte Vanessa. Sie nahm einen Fetzen Papier aus der Flasche heraus.
Vera zappelte ungeduldig mit den Beinen. "Los! Lies vor!"
"Vera! Nicht so ungeduldig!", schimpfte Lukas.
Vanessa runzelte die Stirn. "Die Buchstaben sind verschmiert und schwer zu erkennen", sagte sie.
"Aufregend! Darf ich mal?", rief Vera. Ohne eine Antwort abzuwarten, riss sie Vanessa den Zettel aus der Hand.
"He! Vielleicht will Vanessa das nicht!", sagte Lukas.
Doch Vera hörte nicht auf ihn. "Sei still! Ich muss mich konzentrieren!", sagte sie und starrte auf den Papierfetzen. "Hi... Hilfe! Chakltto! Cha... Charlotte!", las sie.
"Was? Braucht Charlotte Hilfe?", fragte Vanessa.
"Ja", sagte Vera. "Auf dem Zettel steht: 'Hilfe! Charlotte!'"
Lukas sprang auf. "Die Lage ist ernst! Zum Glück hat Vanessa die Flaschenpost rechtzeitig gefunden! Einen großen Applaus für Vanessa!"
Vanessa wurde rot. "Äh. Danke."
Vera sah die beiden entsetzt an. "Turtelt ihr jetzt schon wieder rum? Charlotte ist in Not! Wir müssen ihr helfen!", rief sie und rannte zum Strand.
Vanessa und Lukas rannten ihr hinterher.
"Charlotte ist in Not! Das stimmt!", sagte Vanessa.
"Aber trotzdem turteln wir nicht!", rief Lukas.
Vera achtete nicht auf ihn und starrte auf das Meer.
"Na, siehst du Charlotte?", fragte Vanessa besorgt.
Gerade als Vera den Kopf schütteln wollte, erschien eine Hand an der Wasseroberfläche.
"Das muss Charlotte sein!", rief Lukas. Er stürmte ins Wasser und fuchtelte aufgeregt mit den Armen.
Vanessa folgte ihm.
Vera blieb am Ufer zurück. "Was machst du da, Lukas? Meinst du, dein kindisches Verhalten kann Charlotte helfen?" Sie verdrehte die Augen.
Lukas zuckte die Achseln. "Keine Ahnung."
Vera lief zu ihm ins Wasser. "Charlotte, wo bist du?", rief sie. "Wir sehen deine Hand nicht mehr! Sie ist verschwunden!"
Zwei unangenehm stille Sekunden vergingen, dann tauchte Charlottes Hand wieder auf.
Vera griff nach ihr und zog Charlotte nach oben. "Geht es dir gut? Was ist passiert? Brauchst du Hilfe?", fragte sie.
Charlotte starrte sie wütend an. Dann schrie sie: "Wusste ich's doch! Du bist gar nicht hilfsbereit! Du hast Merle gar nicht beachtet und ihr kein bisschen geholfen!"
Vera wich einen Schritt zurück. "Ich... Ich hab sie gar nicht gesehen! Du hast sie unter deinem T-Shirt versteckt!"
Charlotte streichelte Merle über den Kopf. "Weißt du, ich war gar nicht in Gefahr! Ich wollte nur testen, ob du hilfsbereit bist. Und das bist du absolut gar nicht!" Sie marschierte erhobenen Hauptes davon.
Vera ließ sich nach hinten fallen - und landete mitten im Wasser. Schnell rappelte sie sich wieder auf und ging traurig zum Hotel.
"Was ist denn los?", fragte Lukas und rannte zu ihr.
Vera schniefte. "Das hast du doch mitbekommen", sagte sie leise.
Lukas wurde rot. "Äääh... Also... Eigentlich nicht..." Er lachte verunsichert.
Vera seufzte tief. Ihre schwarzen Haare tropften und ihr nasses T-Shirt klebte an ihrem Körper. "Stimmt, du hast ja bestimmt nur mit Vanessa geturtelt", sagte sie.
"Ich habe nicht geturtelt! Wir haben bloß, äh, ein bisschen getur... äh, redet!", behauptete Lukas empört.
Veras Gesicht hellte sich ein wenig auf. Auch wenn Lukas so nervig war, dass sie ihn am liebsten hundertmal verprügelt und tausendmal in seinem Zimmer eingesperrt hätte, konnte sie ohne ihn nicht leben. Manchmal war es ohne ihn für Vera nicht möglich, zu lächeln...

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